Die große Koalition aus SPD und CDU im Rat der Stadt Essen hat gestern einen gemeinsamen Antrag in die Sitzung des Planungsausschusses eingebracht, um die Variante 3 der Machbarkeitsstudie Eltingviertel/Viehofer Platz zur Entwicklung des Eltingviertels vorrangig weiter zu treiben.
In dieser Machbarkeitsstudie wird der Radschnellweg RS1 nur nebenbei als lästige Notwendigkeit erwähnt. Die in der Studie dargestellte bevorzugte Variante 3 sieht dabei eine Bebauung vor, die möglichst viel Wohnfläche schafft. Es geht daraus hervor, dass die RS1-Trasse über, durch und direkt an den Neubauten vorbei geführt werden soll, mit dem Anschein als ob die Gebäude schon lange dort stünden und der RS1 erst nachträglich dazu gebaut werden müsste. Dies ist eine Verlegenheitslösung und wird sich zu einem fortwährendem Alptraum entwickeln. Generell sind Tunnel, überbrückte Flächen und öffentlich zugängliche Treppenhäuser sehr problematisch – in der Nähe zum Rheinischen Platz aber schlicht undenkbar.
Die Studie verpasst so insbesondere die einmalige Gelegenheit, die internationale Bekanntheit des RS1 als Pilotprojekt einer Landesstraße quer durch die Metropolregion Ruhrgebiet in den Fokus zu rücken - ein Gebiet mit schließlich 5 Mio. Einwohnern - und die Entwicklung des Eltingviertels am RS1 auszurichten. In der Nähe der Innenstadt herrscht ein besonders hoher Bedarf an sicheren Abstellplätzen, Fahrrad-Serviceunternehmen, Übernachtungsmöglichkeiten und Gastronomie. Im Eltingviertel könnte durch eine vorausschauende Planung die lokale Wirtschaft gefördert und Arbeitsplätze geschaffen werden. Grundlegend dafür ist es aber, dass der RS1 sowohl von den Benutzern, als auch von den Anwohnern angenommen wird. Die in Variante 3 vorgesehene Verkehrsführung schafft jedoch nur Konflikte - für den Fall dass sie überhaupt realisiert werden kann:
Der RS1 ist juristisch gesehen eine Landesstraße. Für viele rechtliche Fragestellungen gibt es dazu keinen Präzedenzfall. Lärm, Abfall, Beleuchtung, Verkehrssicherung, Unterhalt und Winterdienst sind nur einige Beispiele der Herausforderungen, denen sich die zukünftigen Anwohner stellen müssen – bei nicht geklärten Zuständigkeiten von Gebäudeeigentümern, Land, VRR und Verwaltung der Stadt Essen. Sicher ist nur, dass der RS1 in der Variante 3 bestenfalls 2027 fertig gestellt werden kann. Nachdem alle anderen Kommunen ihre Teilstücke des RS1 abgeschlossen haben, wird Essen dann irgendwann die rote Laterne am Lückenschluss Eltingviertel aufhängen können.
Diese Verzögerung wird für Stadt Essen aufgrund der erheblichen Anfangsinvestitionen hohe Kosten mit sich bringen. Allein das Abtragen des vermutlich belasteten Bahndamms wird laut Studie mindestens vier Millionen Euro kosten. Alle Aufwände müssen von der Stadt vorfinanziert werden - zumindest bis alle Rechtsfragen geklärt sind.
In der Diskussion kommt auch die erhebliche sommerliche Hitzebelastung des Eltingviertels durch das Innenstadtklima eindeutig zu kurz. Die Variante 3 der Studie führt zur Neuversiegelung und Fällung vieler Bäume. Zusammen mit der Verblockung der Frischluftzufuhr durch die geplanten Neubauten und der Nähe zum mittlerweile siebenstreifig ausgebauten Viehofer Platz wird sich der ohnehin schon kritische Temperaturunterschied zwischen City und Umland von 8°C im Sommer noch zusätzlich verschärfen.
Im Eltingviertel soll der Bahndamm abgetragen werden, auf dem der RS1 in kurzer Zeit kreuzungsfrei weiter gebaut werden könnte. Keine 50m weiter wurde der Viehofer Platz aber für Unsummen siebenstreifig für den Autoverkehr ausgebaut und ist mittlerweile auch als Raserstrecke äußerst beliebt. Allen umweltbewussten bzw. sportlichen Bürgern, die sich auf den RS1 freuen, wird die Bevorzugung des Autoverkehrs gegenüber dem Fahrrad - gerade im Jahr der Grünen Hauptstadt sehr enttäuschen.
In der frisch erschienenen Greenpeace-Studie "Städteranking zur nachhaltigen Mobilität" landete die Stadt Essen auf Platz 12 von 14. Einer der Kommentare der Studie zu Essen: "Ohne attraktive Alternativen wundert es nicht, dass vielen das eigene Auto als bequemere Wahl erscheint." Nun haben SPD und CDU vergangenen Dienstag diese Greenpeace-Studie im Umweltausschuss wegen statistischer Mängel heftig kritisiert.
Jetzt – nur zwei Tage später, sabotieren SPD und CDU den RS1 als eines der größten umwelt- und verkehrspolitischen Leuchtturmprojekte des Ruhrgebiets durch Bevorzugung der Variante 3. Die Landesregierung, unter Beteiligung der Grünen, bleibt dabei untätig, obwohl der Bau der Landesstraße RS1 in Essen auf dem Spiel steht.
Weder die Landesregierung noch die Große Koalition im Rathaus der Stadt Essen ergreifen wirksame Maßnahmen, die hohe Belastung durch Luftschadstoffe (z.B. durch Beschränkung von Dieselfahrzeugen), die Hitzebelastung der Innenstadt im Sommer oder die weiterhin fortschreitende Bodenversiegelung einzuschränken. Im Eltingviertel liegt zur Verringerung dieser Belastungen riesiges Potential verborgen: Eine sehr gute Lösung für den Radschnellweg RS1 und der allseits gewünschten Mobilitätswende liegen dort so nahe, dass diese Sabotage-Politik von SDP, CDU und den Grünen bei jedem interessierten Bürger körperliche Schmerzen auslösen muss.
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